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KONRAD MICHEL, Prof. Dr. med.

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Angststörungen

Angststörungen sind längerdauernde Reaktionen unseres vegetativen Alarmsystems (limbisches System, Amygdala, Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse). Sie werden ausgelöst durch Erlebnisse, welche die körperliche oder die seelische Integrität eines Menschen bedrohen. Dies können traumatische lebensbedrohliche Situationen wie Geiselnahme, Unfälle, Krieg, Folter, etc. sein, häufiger aber sind es seelische Traumatisierungen, welche mit negativen zwischenmenschlichen Erfahrungen (Trennung, Todesfall, Mobbing, Konflikte mit nahestehenden Personen) zusammenhängen. All dies löst bei uns Alarm, bzw. einen Adrenalinschub aus, genauso wie bei der Gazelle, welche einem Leoparden begegnet

Im Hintergrund spielen bei uns Menschen oft vorbestehende frühere negative Lebenserfahrungen eine wichtige Rolle.

Angststörungen können auch Ausdruck eines Erschöpfungszustandes sein, welcher entsteht, wenn die betroffene Person eigene Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen kann. Typisch ist, dass Betroffene sich gar nicht bewusst sind, dass ihr seelisches Gleichgewicht bedroht ist. Je nach Erscheinungsform unterscheidet man verschiedene Formen von Reaktionen:

Panikstörung
Plötzlich und unerwartet aufgetretene Panikattacken mit typischen Symptomen der Adrenalinausschüttung. Mehrere Anfälle innerhalb eines Monats. Dazwischen angstfreie Intervalle.

Die häufigsten Angstsymptome sind:
Engegefühl über der Brust, Gefühl zuwenig Luft zu bekommen
Herzklopfen, Herzrasen
Schwindel
Zittern, weiche Knie
Kalter Schweiss
Gefühl der Übelkeit

Mit den Angstsymptomen verbunden treten unweigerlich und automatisch Angstgedanken auf:
"Ich werde ohnmächtig werden"
"Ich werde einen Herzanfall bekommen und sterben"
"Ich werde die Kontrolle über mich verlieren und verrückt werden"
"Ich werde erbrechen müssen"

Angstsymptome und automatische Angstgedanken ergänzen sich in Form eines Teufelskreises: Angstgedanken verstärken den Adrenalinschub, damit verstärken sich die körperlichen Symptome, was wiederum die Angstgedanken verstärkt, etc.

Generalisierte Angststörung
1) Dauernde Befürchtungen (über mögliche Krankheiten, Unfälle, etc.)
2) Muskuläre Spannung (Muskelschmerzen, v.a. im Nacken-Schulterbereich)
3) Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems (Herzklopfen, nächtliches Schwitzen, Schwindel)

Phobien

Kennzeichen: Vermeideverhalten für angstmachende Situationen (Achtung: Tendenz zur Ausbreitung auf immer mehr Situationen, d.h. immer mehr Rückzug!)
Vorstellung allein löst schon Erwartungsangst aus (Angst vor der Angst)
Meist in der Folge einer Panikstörung (aus Angst, ein Panikanfall könnte in bestimmten Situationen auftreten, in denen man nicht jederzeit flüchten kann, werden solche Situationen mehr und mehr gemieden). Es kann dazu führen, dass Menschen nicht mehr aus dem Haus gehen.

Agoraphobie (Platzangst)

Am häufigsten. Betrifft v.a. Situationen mit Menschenansammlungen sowie geschlossene Räume (Restaurants, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte, Lifte, Gondeln, etc.).

Soziale Phobie

Furcht, sich vor andern Menschen lächerlich zu machen, sich zu blamieren, meist sehr spezifisch: Vor andern sprechen, Essen oder Trinken in Gesellschaft. Kann durch Vermeideverhalten zu sozialer Isolierung führen.
Oft Selbstunsicherheit seit Kindesalter.

Spezifische Phobie

Panik vor Höhe, Wespen, Hunden, Schlangen, etc.

Zwangsstörung

Zwänge haben die Funktion, Angst zu neutralisieren. Zwänge können sich derart entwickeln, dass das Leben extrem eingeschränkt wird.

Je nach Bild unterscheidet man
- Zwangsgedanken (Checking: Zwangshaftes Wiederholen von Gedankeninhalten)
- Zwangshandlungen (Rituale)

Im Hintergrund spielen oft übermässiges Pflichtgefühl, Verantwortungsgefühl, Angst, einen Fehler zu machen, und magisches Denken (die Zahl 3 bedeutet Unglück) eine Rolle.

Belastungsreaktion

Reaktion eines psychisch unauffälligen Menschen auf eine ausserordentliche körperliche oder seelische Belastung (z.B. Tod eines nahestehenden Menschen).

Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD = PostTraumatic Stress Disorder)

Wiederholtes Erleben des Traumas (flashbacks), sog. dissoziative Zustände (siehe unten), Angst, Panik, Depression, Suizidalität), meist innerhalb von 6 Monaten nach Ereignis auftretend, z.T. aber auch erst Jahre später (Katastrophen, Krieg, körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch, etc.).
Die Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt sich bei Personen, die ein körperlich oder emotional belastendes Ereignis erlebt haben, welches außerhalb des Bereichs normaler menschlicher Erfahrung liegt, z.B. Krieg, Folter, Vergewaltigung, schwere Unglücke, etc. Typisch sind Symptome vegetativer Erregung und übersteigerte Schreckreaktion, emotionale Abstumpfung oder das Gefühl, von andern losgelöst zu sein, sowie das Wiedererleben des Traumas in Träumen oder wiederholten eindringenden Gedanken. Posttraumatische Belastungsstörungen können einen schleichenden Verlauf nehmen und zu Depressionen und Suizid führen. Nicht selten lösen multiple körperliche Beschwerden zahlreiche organische Abklärungen aus. Therapeutisch werden möglichst bald nach dem traumatischen Erlebnis entlastende Gespräche ("debriefing“), z.T. in der Gruppe, empfohlen. Kognitive Techniken können helfen, die wiederkehrenden Erinnerungen zu beeinflussen und so langsam das Gefühl der Bedrohung und Hilflosigkeit zu reduzieren. Liegt eine depressive Symptomatik oder eine Angststörung vor, sind antidepressive Medikamente indiziert.

Dissoziative Störungen

Wiederholt auftretend in Belastungssituationen. Gefühl, wie betäubt zu sein, nicht dabei zu sein, fehlende Schmerzempfindung, Gefühl sich wie von aussen zu betrachten, wie losgelöst vom Körper zu sein, später ev. fehlende Erinnerung daran.

THERAPIE

Je früher desto einfacher. Am meisten verbreitet ist die sog. kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Dabei geht es um ein Klären der Abläufe und der Denkmuster (Kognition), und anschliessend um ein Umsetzen, d.h. Ausprobieren neuer Verhaltensweisen (Verhaltenstherapie). Dabei spielt das Buchführen eine zentrale Rolle. Bei schweren oder langdauernden Angststörungen ist gleichzeitig der Einsatz von Medikamenten indiziert (in erster Linie Medikamente aus der Gruppe der Antidepressiva, anfänglich oft auch angstlösende Mittel (sog. Benzodiazepine). Agoraphobie (Platzangst), Panikstörung und spezifische Phobie lassen sich im Allgemeinen gut behandeln, soziale Phobie und Zwangsstörungen sind oft zeitintensive Therapien.